Besuch beim TU Wien Space Team – Teil 1
Backstage beim TU Wien Space Team! Sonja erzählt Euch was Wiener StudentInnen alles auf die Beine stellen.
Von Sonja Ornella Schobesberger
Es ist ein Donnerstagvormittag. Ich bin etwas zu früh dran und schaue mich in der Gegend um. Wo? In der Otto-Preminger-Straße in Wien, St. Marx. Vor mir sehe ich eine unscheinbare Einfahrt zu einem größeren Gelände voller Fabrikhallen, welche ihrem Aussehen nach zu urteilen bereits einige Jahre hinter sich haben. Auf einem ebenfalls unscheinbaren Schild steht „Technische Universität Wien, Aspanggründe“. Mittlerweile sehe ich meinen Bruder Simon, ein begeisterter Maschinenbauer an der TU Wien, auf dem Rad in meine Richtung düsen. Und ein paar Minuten später führen mich Moritz Novak, der Präsident des Vereins TU Wien Space Team, und mein Bruder, der seit einiger Zeit Mitglied beim Space Team ist, durch das Gelände bis zur riesigen Werkstatt, welche sich das TU Wien Space Team mit dem TU Racing Team teilt. Mit gerichteten Masken und desinfizierten Händen betreten wir eine ganz schön große Halle. Man riecht bereits den metallischen Geruch vom Traum ins All vorzudringen.
In den kleineren Arbeitsräumen über der großen Werkhalle ist noch vieles in Kisten verstaut. Das TU Wien Space Team ist erst vor kurzem hierher umgezogen. Moritz betont, dass sie wirklich ALLES selbst machen. Vom Zusammenbauen der Computer und der Technik bis zur Administration und Wartung.
Über 100 Team-Members in 10 Jahren
Das TU Wien Space Team ist ein mittlerweile 10 Jahre alter Verein. Der Anfang war das Zusammentreffen von 10 Raumfahrt-begeisterten Menschen, welche eine einstufige, 2-Meter-hohe Rakete gebaut und sogar nach einem Jahr im Rahmen der C’Space in Frankreich gestartet haben. Heute sind es über 100 Frauen und Männer, die an momentan 8 sehr unterschiedlichen Projekten arbeiten. Hut ab! Grundsätzlich sind sie ein unabhängiger Verein, welcher sich als Ausbildungs- und Innovationsplattform sieht. Sie werden aber unter anderen von der TU Wien finanziell unterstützt, die ihnen auch die so wertvollen Räumlichkeiten zur Verfügung stellt. Außerdem haben sich über die Jahre viele Kooperationen und Projekte mit einigen Instituten z.B. an der Fakultät für Elektrotechnik oder Maschinenbau der TU ergeben. Moritz selbst ist 25 Jahre alt, studiert Maschinenbau, ist seit 4 Jahren beim TU Wien Space Team dabei und beschäftigt sich vor allem mit den Gebieten Strömungsmechanik und Wärmeübertragung.
Wie funktionieren Raketen?
Eine ihrer Hauptangelegenheiten sind natürlich die Raketen selbst! Diese kann man grundsätzlich nach der Art ihres Triebwerks unterscheiden. Es gibt Flüssig- und Festtreibstoffraketen. „Es geht um das Antriebsmodul der Rakete. Ich muss irgendwo Energie speichern und in eine Form umwandeln, die ich nutzen kann. Bei einer Rakete ist das der Schub. Impulserhaltung im Endeffekt. Ich schmeiße hinten was raus, sprich Masse, und das bewegt mich in die entgegengesetzte Richtung. Es hat sich durchgesetzt, dass man entweder einen Feststoff oder ein Gas-Flüssigkeitsgemisch nimmt, es verbrennt und über eine Raketendüse hinausleitet. Beim Verbrennen erwärmt sich das Ganze, dehnt sich aus und die Düse konvertiert die interne Energie des Gases in kinetische Energie. Durch die Düse wird das Gas beschleunigtt. Die Rakete selbst wird dadurch in entgegengesetzter Richtung beschleunigt.
Flüssig- versus Festtreibstoffraketen
Der Unterschied: Beim Flüssigtriebwerk mischt man erst in der Rakete zwei Komponenten zusammen (z.B. Ethanol und Sauerstoff), welche gemeinsam verbrennen, wenn man sie zündet. Im Gegensatz dazu besteht Festtreibstoff häufig aus einem Pulver, in dem Oxidator und Brennstoff bereits vermischt sind. Diese Pulver werden Feststoffbooster genannt.“, erzählt Moritz. Der große Vorteil von Flüssigtriebwerken ist, dass man sie sozusagen ein- und ausschalten, dosieren, regeln und dadurch besser steuern kann. Ist ein Feststoffbooster einmal gezündet, brennt er einfach durch. Deshalb ist seine Wiederverwendbarkeit geringer. „Was von SpaceX in die Luft geschossen wird, basiert alles auf Flüssigtriebwerken. Diese sind viel flexibler und leistungsfähiger. Der Oxidator kann nämlich extrem abgekühlt und dadurch die Energiedichte stark erhöht werden. Dann braucht er weniger Volumen, weil er viel dichter ist. Effekte dieser starken Abkühlung kann man auch sehen. Das Wasser in der Luft vereist und die Raketen frieren außen ein, weil der Tank minus 200 Grad Celsius hat. Die ganze Sache ist dann hochexplosiv!“, meint Moritz.
„Der heilige Gral der Raketenwissenschaften“
Und der Nachteil von Flüssigtriebwerkraketen? Sie sind viel komplexer in der Konstruktion und es kann viel eher etwas schiefgehen… Moritz bezeichnet sie als den „heiligen Gral der Raketenwissenschaften“. Dabei ist das TU Wien Space Team mittlerweile selbst Hüter des Grals! In ihrer Werkstatt steht der größte Flüssigtriebwerk-Teststand Österreichs, der so in Betrieb genommen wird. Dabei entwickeln sie gerade ganz viel neues Knowhow selbst. Der Teststand hat den Spitznamen „Franz“ nach Franz Viehböck. Der „Austronaut“ ist der erste und bisher einzige Mensch aus Österreich, welcher im Weltraum war, und ist einer der Unterstützer des TU Wien Space Teams.
Die Vorgehensweise ist das Subsystem Triebwerk, die Kernkomponente der Rakete, extern zu entwickeln und optimieren und erst dann in eine Rakete einzubauen. Das Entwickeln und Testen findet im Teststand statt.
Das Triebwerk selbst basiert auf der Mischung von Ethanol und Lachgas und ist für eine 10-15 Meter hohe Rakete konzipiert. Da das Testen Meter-lange Flammen erzeugt und extrem laut und gefährlich ist, findet es natürlich auf einem Sprengplatz mit entsprechendem Sicherheitsradius statt!
Raketen und Rekorde
Bis auf diesen großen Teststand und einem kleineren Flüssigtriebwerk-Teststand verfolgt das Space Team zum Beispiel auch eine Vielzahl an Projekten rund um das Thema Feststoffrakete: „First Introduction to Rockets and Space Team“, kurz „FIRST“, ist das Einsteigerprojekt für neue Mitglieder. Die Space Team Rockets, kurz „STR“ Raketen, haben bereits lange Tradition. Und dann gibt es noch „The Hound“: Das Ziel dieser Rakete ist es, einen Rekord zu brechen: Im weltweiten Spacerace der Studententeams nach vorne kommen und am weitesten ins Weltall vordringen. Wie ist dabei Weltall definiert? Das hängt davon ab, wen man fragt. Eine Definition ist die sogenannte Kármán-Linie bei 100 km.
Was das TU Wien Space Team noch alles für spannende Projekte verfolgt, über Raumfahrt in Österreich und „Big-Player“ wie SpaceX und warum jede, die an Raumfahrt interessiert ist, auch in Wien gute Möglichkeiten hat, lest ihr in Teil 2 dieser Beitragsreihe!
Titelbild:
Moritz Novak, Simon Schobesberger und Sonja (von rechts nach links) vor dem Flüssigtriebwerk-Teststand „Franz“; © Sonja Ornella Schobesberger, 17.12.20