Besuch beim TU Wien Space Team – Teil 2

Von Sonja Ornella Schobesberger

Nachdem ich nun so viel über die Konstruktion von Raketen gelernt habe (siehe Teil 1 dieser Beitragsreihe), geht es weiter mit anderen Projekten des TU Wien Space Teams, dem sogenannten „Launchen“ und dem Thema Raumfahrt aus einer allgemeineren und globalen Perspektive.

Der selbstgebaute Satellit im Weltall!

Während Moritz auf einen Umzugskarton mit Edding-Aufschrift „CubeSat“ zeigt, erzählt er mir von dem standardisierten Satellitenformat namens CubeSat. Dabei handelt es sich um kostengünstige würfelförmige Satelliten, die ca. 10x10x10 Kubikzentimeter groß sind. Angefangen haben sie als Ausbildungsprojekt für Universitäten und mittlerweile hat sich das Format derart durchgesetzt, dass sie die Aufgaben der großen Satelliten, welche ein paar Tonnen wiegen, sehr gut ergänzen. Der große Vorteil: Das Standardformat hat es erlaubt, dass die ganze Infrastruktur rund um den Launch dieser Satelliten durch eine Rakete relativ kostengünstig ist. Gemeinsam mit der FH Wiener Neustadt im Rahmen des Studienprogramms Aerospace Engineering hat das Space Team bereits einen sogenannten 2Unit-CubeSat, sprich 10x10x20 Kubikzentimeter, entwickelt, gebaut und 2017 mit einer indischen Rakete gestartet. Das TU Space Team hat also bereits etwas ins Weltall geschossen! Großartig! Und momentan sind sie im Begriff ein neues CubeSat-Projekt von Sekunde Null bis zum Launch als großangelegtes Ausbildungsprojekt völlig selbstständig umzusetzen. Im CubeSat werden unter anderem ein Mikroprozessor, eine Kamera und diverse Sensoren installiert sein, welche die unterschiedlichsten Daten wie zum Beispiel die Umgebungstemperatur messen. Im Rahmen eines Wettbewerbs können sich dann Schüler*innen- und Student*innenteams eine Mission überlegen und Codes schreiben, welche die Sensoren in dem CubeSat steuern und Daten auswerten sollen. Anschließend können sie dann sogar ihre Codes laufen lassen, während der CubeSat sich im Weltall befindet und entlang seines Orbits dahingleitet. Wie cool! Erinnert an die CanSat Competition der ESA.

Eine startende Rakete filmen? Nicht leicht aber machbar!

Und das ist noch immer nicht alles! Das Space Team kollaboriert mit ihrer Partnerorganisation WüSpace e.V. im Rahmen des Projektes T-REX. Es stellt sich nämlich heraus, dass es gar nicht so einfach ist, Raketen mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit während dem Start zu filmen. Sie bauen und perfektionieren einen Mechanismus, mit welchem man optisch Raketen beim Start „trackt“ und hochwertige Kameraaufnahmen produziert.

Der T-Rex (steht für „Tracking Rocket Experiments“) Raketenstartverfolger vom TU Wien Space Team und WüSpace e.V. ; © TU Wien Space Team

Raketenstart im Ausland

Und auf meine Frage, wie schwer es ist, eine Rakete in Österreich zu starten, reagiert Moritz gleich mal mit einem lächelnden Seufzer: „Rechtlich ist es sehr kompliziert. Wir stehen oft bei behördlichen Wegen und bei der Bürokratie an, weil in Österreich Raketenentwicklung keinen guten Ruf hat. Sie ist das stiefmütterlich behandelte Kind. Luftfahrt ist da schon attraktiver. Die Leute sehen nicht, was der Vorteil von Raumfahrt ist und wofür man durchschnittlich 10 Euro im Jahr über Steuern an die ESA zahlt. Da ist es eine politische Herausforderung, einen Schwung für das Thema zu bekommen. Eigentlich kann man in Österreich Raketen nicht sinnvoll starten. Bereits das Starten von unseren kleinsten Raketen ist hier mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden. Wir starten daher im Ausland, abhängig von Flughöhe und Anforderungen in Deutschland, Polen, Frankreich, Portugal oder den USA. Satelliten zu launchen, wird schon komplizierter. Da braucht man wirklich eine Basis, einen Spaceport mit Infrastruktur. In Europa gibt es zum Beispiel den Spaceport Sweden in der nördlichsten Stadt von Schweden, Kiruna, aber dort werden auch keine Satelliten gelauncht.“

Aufbau der Rakete „The Hound“ in Deutschland; Reinhard Rath, Andreas Bauernfeind, Stefan Schaffer, Michael Hauser, Christoph Fröhlich, Peter Kremsner; © TU Wien Space Team

Neuer Schwung für Luft- und Raumfahrt in Österreich

Mit ihrem Luftfahrtprojekt „Across Austria“, dessen Ziel es ist, mit einem wasserstoffbetriebenen, unbemannten Flugzeug Österreich von Grenze zu Grenze zu überqueren, arbeitet das TU Wien Space Team in Kooperation mit der TU Wien bereits aktiv daran, mehr Schwung aufzubauen und im besten Fall die bereits lang existierende Idee und Initiative ein Luft- und Raumfahrt Masterprogramm an der TU Wien in die Wirklichkeit umzusetzen.

Im Büro mit Simon und Moritz; © Sonja Ornella Schobesberger, 17.12.20
Viele Raketen, viele Ideen… ; © Sonja Ornella Schobesberger, 17.12.20

Knowhow für alle!

Nachdem wir eine Tour durch alle Räume gemacht haben, kommen wir wieder in einem der Büroräume an. Es wird Zeit über das große Raumfahrtgeschehen und die Zukunft zu reden. Was ist denn für die heutigen Nerds der Raumfahrttechnik das Spannendste, was zurzeit in der Raumfahrt passiert? Die Tatsache, dass Information so leicht verfügbar ist, dass praktisch jeder Mensch, den die Thematik interessiert, den Drive hat und sich eine Gruppe sucht, unglaublich coole technische Projekte umsetzen kann. „Das geht soweit, dass wir ein Flüssigtriebwerk bauen! Das wäre vor ein paar Jahren noch unvorstellbar gewesen als ehrenamtliches Team, die das in ihrer Freizeit machen. Durch Unterstützung von Sponsoren und Partnern und so viel leichtzugänglichem Knowhow wird die Technik greifbar“, sagt Moritz begeistert. Laut ihm werden die großen Player der Raumfahrt wie die ESA oder die NASA oder mittlerweile SpaceX von neuen, kleineren  Firmen und Institutionen bereits stark herausgefordert. Der Markt verändert sich.

Interplanetare Missionen und SpaceX

Bis auf eine Sache. Die interplanetaren Missionen. Diese liegen noch ganz in der Hand der „Big Player“. Seiner Meinung nach kann man Elon Musk, dem Leiter von SpaceX, schon glauben, wenn dieser seine ambitionierten Zeitpläne für die Landung von Menschen am Mars vorstellt. Wir jetzt 20 bis 40-jährigen werden Menschen am Mars noch erleben? „Ganz sicher“, sagt Moritz ohne mit der Wimper zu zucken. Wie Moritz, Simon und ich so mit Elephantenbaby-Abstand dastehen, fällt mir plötzlich ein, dass ich ein Bild von Elon Musk an einem der Wände gesehen habe. „Ist Elon Musk so ein bisschen der Held vom TU Wien Space Team?“ „Auf jeden Fall! Von jedem und jeder Raketen-bauenden Enthusiast*in, auf jeden Fall!“ Aber was macht SpaceX so besonders gut? Simon meint: „Ihre Herangehensweise ist völlig neu. Wir sehen bei ihnen eine Art Massenproduktion an Raketenstarts. Sie starten bei weitem viel öfter mit ihren Raketen als alle ihre Konkurrenten.“ „Sie sehen nichts als gegeben, hinterfragen alles, was schon für richtig gehalten wird und finden neue Lösungen. Sie sind unkonventionell. Dann sind da noch die oft erwähnten Faktoren , dass sie viel auf Wiederverwendbarkeit achten und im Technischen einfach systematisch besser sind“, sagt Moritz.

Die Inspiration…

Am Ende interessiert mich noch, was Moritz, Simon und ihre Kolleg*innen motiviert, inspiriert und antreibt. Es ist der Hang zur Technik, etwas zu machen, das größer ist, als man selbst, der Spaß, in Gesellschaft anderer Raumfahrtfans zu sein, der Zweck, das Sinnstiftende und das Streben, „sich als Mensch dreidimensional bewegen zu können“. Und es sind natürlich die drei räumlichen Dimensionen der Weiten des Weltalls gemeint!

Plötzlich stehe ich wieder bei der auffallend unauffälligen Einfahrt der Aspanggründe, die nichts von all den aufregenden Projekten verrät, an denen das Space Team in ihren Werkstätten und Büros arbeitet, schraubt und weiterplant. Hoffentlich hören wir bald, von dem Satelliten, welchen sie mit ihrer eigenen Flüssigrakete in Umlauf gebracht haben. Und wer weiß. Vielleicht haben euch die Begeisterung und Hingabe des TU Wien Space Teams, all die Forschung in Wien zum Thema Weltraum und Universum, unser Weltraumschwerpunkt oder einfach die Anziehungskraft des Universums selbst auf Ideen gebracht… Wir würden uns freuen 😉

Titelbild:

Bodenstation der Rakete „The Hound“ und „T-REX“ in Portugal; zu sehen sind 2 Polizist*innen, Peter Kremsner, Reinhard Rath, Patrick Kappl, Christoph Fröhlich, Alexander Hartl, Andreas Bauernfeind, Michael Hauser und Marvin Baral (WüSpace e.V. ); © TU Wien Space Team,

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