Weltraum_Dunkle Materie

Dunkle Materie im Weltraum – Teil 3

Im dritten und letzten Teil der Beitragsreihe zu „Dunkler Materie im Weltraum“ zeigt euch Sonja, wie Dunkle Materie mit der Struktur aus Galaxien und Sternen im Universum zusammenhängt. Sonja hat sich im Rahmen ihres Studiums der Astrophysik auf Dunkle Materie spezialisiert. Hier geht’s zu Teil 1 und Teil 2 unserer kleinen Serie.

In Teil 2 dieser Beitragsreihe über Dunkle Materie haben wir gesehen, dass man mithilfe des sogenannten kosmischen Mirowellenhintergrunds – dem Babyfoto des Universums – den Anteil der Dunklen Materie im heutigen Universum bestimmen kann. 27 Prozent! Im Folgenden werden wir verstehen, wie Dunkle Materie mit der Entstehung und Verteilung von Galaxien im Universum zusammenhängt.

Von Sonja Ornella Schobesberger

Im Prinzip wollen Kosmolog*innen einen Tathergang rekonstruieren – genau wie Detektiv*innen. Der Fall lautet: Wie können wir die Verteilung und Existenz der Galaxien in unserem Universum erklären? Hier ein Überblick vom Schauplatz:

Eine Karte des Universums erstellt durch eine Durchmusterung des Himmels namens „Sloan Digital Sky Survey“. Jeder einzelne Punkt in diesem Bild ist eine ganze Galaxie.

Wir sehen anhand dieses Bildes, dass die Galaxien im gesamten Universum Spinnennetz-artig verteilt sind. Nun, die Detektiv*innen des Universums haben durch die Kombination vieler verschiedener Methoden und Ideen bereits eine sehr genaue Vorstellung, warum sich dieses Spinnennetz aus Galaxien durch unser Universum zieht.

Nester aus Dunkler Materie

Plötzlich sind Raum, Zeit und Materie da – der Urknall. Einen winzigen Bruchteil einer Sekunde nach dem Urknall können die Detektiv*innen des Universums noch nicht erklären. Danach kommt eine kurze Phase, in der sich das Universum schlagartig ausdehnt. Der Raum selbst wird super schnell größer. Im Inhalt dieses Raums herrschen zufällige, winzig kleine und ständige Änderungen an jeder Stelle.

Man könnte sich das vorstellen, wie Ameisen auf einem Tisch, die in wilder chaotischer Panik hin- und herlaufen. Fixiert man dabei nur einen kleinen Bereich am Tisch, wird man sehen, dass dort manchmal mehr und manchmal weniger Ameisen sind. Dieser „wilde Inhalt“ im Raum (genauso wie der Raum selbst) dehnt sich nach der schlagartigen Ausdehnung nun viel langsamer aus.

Aus diesem mysteriösen Inhalt entstehen viele Teilchen; Protonen, Elektronen und die Dunkle-Materie-Teilchen. Von dieser Ursuppe haben wir bereits in Teil 2 gesprochen. Die Dunkle-Materie-Teilchen machen einen riesigen Anteil des Inhalts aus und ziehen sich gegenseitig und alles andere durch Gravitation an. Es bilden sich Stellen, die dichter sind als ihre Umgebung und Stellen, die weniger dicht sind als ihre Umgebung.

Was vorher zufällige Änderungen in einem mysteriösen Inhalt waren, sind jetzt Dunkle-Materie-Verklumpungen oder Körnchen. Überall wo sich viel Dunkle Materie gesammelt hat, sammelt sich auch die Materie, welche wir sehen können. Und genau diese Schwankungen sehen wir im kosmischen Mikrowellenhintergrund.

Aber das ist ja nur der Anfang. Im Laufe der folgenden fast 13,8 Milliarden Jahre verklumpt und verdichtet sich die Dunkle Materie immer mehr. Die Anziehungskraft dieser Verdichtungen wird so stark, dass dort irgendwann auch die „normale“ Materie zu dicht wird und Sterne und Galaxien bildet. Die Dunkle-Materie-Klumpen waren also sozusagen die Nester, in welchen Galaxien „schlüpfen“ konnten.

Zeitlicher und räumlicher Ablauf der Ausdehnung des Universums, nicht maßstabsgetreu.

Das größte Spinnennetz der Welt

Kosmolog*innen haben sogar genug Information, um diesen Milliarden-Jahre-langen Prozess der Dunkle-Materie-Verklumpung in Simulationen darzustellen. In dem folgenden Bild und in dem Titelbild dieser Beitragsreihe sind Schnappschüsse zweier verschiedener Dunkle-Materie-Simulationen gezeigt.

Dichteverteilung der Dunklen Materie berechnet durch die Bolshoi-Simulation – ein Computermodell des Universums

Das Ergebnis ist eine Spinnennetz-artige Verteilung von Klumpen und Fäden. Die echte Version von diesem simulierten Dunkle-Materie-Spinnennetz ist für uns nicht sichtbar. Es wird berechnet, indem man von den Eigenschaften der Dunklen Materie ausgeht. Und das Spannendste: Diese Rekonstruktion des Tathergangs liefert Bilder, welche dem heutigen Schauplatz auffällig ähnlich sind. Auch die Galaxien im Universum bilden ein riesiges Spinnennetz!

Hier schließt sich der Kreis zwischen dem unendlich Kleinen, der Welt der Teilchenphysik, und dem unendlich Großen, der Kosmologie. Welche Teilchen bilden das Dunkle-Materie-Netz? Schaffen wir es, ein einziges dieser Teilchen einzufangen?


Titelbild: Simulierte Dichteverteilung der Dunklen Materie bei einem Alter des Universums von einem Gigajahr, The Millennium Simulation Project,
Beitragsbild 1: M. Blanton and SDSS. https://www.sdss.org/science/orangepie
Beitragsbild 2: Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0
Beitragsbild 3: Bild von Stefan Gottlober (AIP) mit IDL, http://hipacc.ucsc.edu/Bolshoi/Images.html

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