Dunkle Materie im Weltraum – Teil 2
Nachdem in Teil 1 dieser Beitragsreihe über Dunkle Materie klar geworden ist, welche Dimension dieses ungelöste Rätsel der Kosmologie eigentlich hat, stellt sich dieser Beitrag naheliegenden nächsten Fragen: Wieviel Dunkle Materie gibt es? Wie beeinflusst sie unser Universum?
Von Sonja Ornella Schobesberger
Babyfotos vom Universum
Dazu reisen wir ungefähr 13,8 Milliarden Jahre in die Vergangenheit. Damals war das Universum sozusagen noch ein frischgeborenes Baby. Und es gibt ein Babyfoto!
Für ein Foto braucht man Photonen (auch Strahlung oder Licht genannt), welche den Detektor erreichen. Ganz kurz nach der Geburt – manchen bekannt als Urknall – kann man sich das Universum als eine riesige extrem heiße Suppe vorstellen, ein Gemisch aus Photonen und allen anderen Teilchen (auch Dunkle-Materie-Teilchen). Unter diesen anderen Teilchen sind Elektronen und Protonen. Sie bauen die Materie auf, welche wir sehen. In anderen Worten: Das Universum war ganz ganz am Anfang eine Suppe aus Licht und Materie, in welcher man keine der Zutaten erkannt hätte, weil die Teilchen auf Grund der hohen Temperaturen so stark miteinander interagierten.
Später, als das Universum ungefähr 380 Tausend Jahre alt war (immer noch ein Baby im Vergleich zu jetzt), hatte es sich bereits stark ausgedehnt und die Suppe war dadurch abgekühlt. Plötzlich konnten Elektronen und Protonen gemeinsam Atome bilden. Diese waren elektromagnetisch neutral und ließen die Photonen in Ruhe. Eine gigantische Lichtshow aus freiströmenden Photonen verbreitete sich in alle Richtungen.
Heute können wir exakt die Photonen dieser Lichtshow aus dem Baby-Stadium des Universums als schwaches Signal einfangen. Kosmolog*innen nennen sie den kosmischen Mikrowellenhintergrund oder auf Englisch „Cosmic Microwave Background“ (abgekürzt CMB).
Es ist praktisch, dass ein Foto, welches wir jetzt „schießen“, einen Zustand des Universums von vor Milliarden von Jahren zeigt. Das liegt daran, dass die Photonen der Lichtshow derartig lange Strecken zurücklegen, für welche sie auch mit Lichtgeschwindigkeit seeehr lange brauchen.
Temperaturschwankungen
Aber wo bleibt die Dunkle Materie? Ein genauer Blick auf die Aufnahme des kosmischen Mikrowellenhintergrunds zeigt uns, dass er eine klumpige Struktur aufweist. Die unterschiedlichen Farben in dem Bild deuten auf Temperaturschwankungen hin. Genau diese Schwankungen können wir momentan nur durch Anwesenheit von Dunkler Materie erklären. Extrem viel Dunkle Materie!
Zuerst erstellen Kosmolog*innen Modelle, welche die Zusammensetzung der Materie und Energie im Universum beschreiben sollen. Dann justieren sie solange, bis die Modelle Bilder liefern, welche genauso aussehen wie das Babyfoto.
27 Prozent
Und das Ergebnis sprengt unsere Vorstellung! Photonen und die Materie, welche wir sehen und verstehen, machen heute nur 5 PROZENT des Inhalts im Universum aus. 27 PROZENT des Universums besteht heute aus Dunkler Materie! Die restlichen 68 Prozent bekommen den Namen „Dunkle Energie“. Von ihr wissen wir – man glaubt es kaum – noch weniger als von der Dunklen Materie. Sie wird aber dafür verantwortlich gemacht, dass sich unser Universum zur Zeit immer schneller ausdehnt.
Und warum brauchen wir Dunkle Materie, um das körnige Muster des Bilds vom CMB zu erklären? Und wie hängt das mit der Struktur aus Sternen und Galaxien in unserem Universum zusammen? Das wird nun endlich im nächsten und letzten Beitrag klar … in Kürze hier am Wissens°raum-Blog.
Glossar
- Kosmologie: Ein Teilgebiet der Astronomie und der Physik, welches sich mit dem Ursprung, der Entwicklung und der grundlegenden Struktur des Universums beschäftigt. Kosmolog*innen wollen das Universum über die größtmöglichen räumlichen und zeitlichen Skalen beschreiben.
- Detektor: ein technisches Bauteil, das bestimmte physikalische oder chemische Eigenschaften messen kann.
Titelbild: Simulierte Dichteverteilung der Dunklen Materie bei einem Alter des Universums von einem Gigajahr, The Millennium Simulation Project
Beitragsbild: (c) ESA and the Planck Collaboration; https://www.esa.int/ESA_Multimedia/Images/2013/03/Planck_CMB