Sebastian Martin – Ein Tinkerer im Wissens°raum
Balduin hat den begeisterten Tinkerer Sebastian Martin vom Exploratorium in San Francisco zu seinem mehrwöchigen Besuch im Wissensraum befragt! Im Blogbeitrag zu Balancing Toys haben wir bereits einen kleinen Einblick in die Tinkering-Welt bekommen.
Von Balduin Landl
Sebastian Martin ist langjähriger Mitarbeiter im Tinkering Studio des Exploratoriums in San Francisco und ist in seinen Aktivitäten besonders an den Schnittstellen von Wissenschaft und Kunst interessiert. Man könnte seinen Beruf als Tinkering-Specialist bezeichnen. Sebastian selber bemerkte aber während unserem Gespräch dann doch viel treffender: „Es gibt doch gar keine Profi-Tinkerer, Tinkerer kann doch jede und jeder sein!“
Im Moment ist er dabei neue spielerische und kreative Ideen zum Lernen mit Computern, Code und digitalen Medien auszuprobieren. Das ist ein Projekt des Tinkering Studio zusammen mit dem MIT Media Lab.
Auf der Suche nach einer Werkstatt und Inspiration war er im Herbst 2020 einige Wochen in Wien im Wissens°raum zu Besuch und hat als „Tinkerer in Residence“ getinkert und sich mit uns ausgetauscht. Vor der Abreise konnte ich noch ein kleines Interview mit ihm führen und er hat mir erzählt, wie es ihm bei uns im Wissens°raum gefallen hat.
Balduin: Sebastian, du warst knapp 2 Monate bei uns im Wissens°raum und hast gefühlt rund um die Uhr getinkert. Hat sich dein Bild von Tinkering verändert, dadurch dass du es in Wien gemacht hast – auch mit uns gemeinsam?
Sebastian: In dem Moment, wo man sich mit etwas beschäftigt, was man noch gar nicht genau kennt, aber dann im gleichen Moment was darüber lernt und auch gleichzeitig sein eigenes Projekt baut, ohne vielleicht noch zu wissen, wo es hingeht – da hat man so das Gefühl: Aaah, das fühlt sich an wie Tinkering. Aber wenn man es beschreiben will, ist es oft schwierig, und deswegen ist es mir schon oft passiert, dass ich immer wieder Tinkering für mich neu erfunden hab und das war auch jetzt der Fall im Wissens°raum. Durch unsere Gespräche, auch im Kontext vom Wissens°raum selbst, im Kontext von Naturwissenschaften und dass ja von eurer Seite auch schon eine bestehende Tinkering-Praxis existiert.
Hast du das Gefühl, dass du neue Sachen kennengelernt hast im Wissensraum?
Was der Wissens°raum kann – vielleicht besser als das Tinkering Studio im Exploratorium – ist, du gehst da rein und weißt noch nicht genau, was da los ist und du könntest mal ausprobieren, ob du den Raum so benutzen kannst wie du möchtest. Was ich beobachten konnte und sehr schön fand, war dieses direkte mit den Besucher* innen in Kontakt zu kommen und dann die Besucher*innen auswählen zu lassen, womit sie sich beschäftigen in dem Raum und sie darin zu begleiten. Das war neu für mich. Dieses Teilhabenlassen an dem ganzen Raum und nicht nur an einer Aktivität. Da habe ich dann oft darüber nachgedacht, wie man dafür sorgen kann, dass sich Leute Zuhause fühlen, in so einem Raum.
Ist dann der Umkehrschluss zulässig, dass du dich auch sehr Zuhause gefühlt hast im Wissensraum?
Ja, ich hab mich natürlich auch sehr Zuhause gefühlt und im Wissensraum Tage und Abende verbracht und sogar manchmal ein wenig gekocht oder Zähne hier geputzt (lacht…). Auch in der Gruppe. Ich denke, dass auch viel Vertrauen und Vertrautheit da ist in der Gruppe, die den Wissensraum betreibt.
Was hat dir am meisten Spaß gemacht? Zum Beispiel eine Tinkering-Aktivität, oder erinnerst du dich an eine lustige Situation oder ein herausragendes Erlebnis?
Es gibt verschiedene Momente. Zum Beispiel als wir eben zusammen versucht haben, eure Lichterketten selbst händisch zu manipulieren. Wenn man mit einem Produkt arbeitet, das man gar nicht genau kennt, und man es einfach öffnet und sieht wie es funktioniert oder es dann kaputt ist. Sowas ist immer sehr spannend für mich. Das war einfach ein schöner Moment.
Auch mit Hessam hatte ich ein schönes Erlebnis, weil ich nicht wusste, dass er auch Musiker ist und auch ein Instrument spielt. Er hatte dann auch die Idee, auch sein Instrument mitzunehmen und Musik zu spielen, um das zu kombinieren mit einer Aktivität, wo wir eine Lichterwand programmiert haben.
Ein schöner Höhepunkt war der Online-Workshop für das Science Center Netzwerk. Weil ja wirklich einige vom Team viel beigetragen haben. Da habe ich mich so gefreut, dass obwohl ich ein Gast war, wir das so als Gruppe gemacht haben. Das war mein schönstes „Teil-vom-Science-Center“ Erlebnis. Und es war unheimlich viel Tinkering sichtbar bei den Teilnehmer*innen. Da war das ein richtiger Gruppenerfolg. Da war zum Beispiel Magdalena in einem speziell schönen Moment. Sie hat im Badezimmer unter dem Waschbecken die Sachen aufgebaut, weil das der dunkelste Ort war und hat uns das dann gezeigt, was sie Schönes projiziert. Und das fand ich, war so ein super Moment, wo jemand so unter dem Waschbecken im Badezimmer – im Zoom-Meeting, nicht wahr? – vertieft ist darin, ihre eigene Idee von einem Licht-und-Schatten-Bild zu verwirklichen.
Gab es auch spannende Momente alleine im Wissensraum?
Ich war eben oft abends da. Und da habe ich auch gelernt, dass das toll ist, dass der Wissensraum so viele Fenster hat. Weil man allein dadurch mit den Menschen schon kommuniziert, ohne direkt für sie was zu tun. Es sind oft Leute am Fenster gestanden und haben reingeguckt und wollten sehen, was ich mache. Das war schön, weil der Raum einfach offensichtlich Interesse weckt.
Und seid ihr nun neugierig geworden auf Tinkering? Am besten zusammen mit Sebastian? Dann gibt es gute Neuigkeiten:
Der kostenlose Online-Workshop „Animate your world“ findet am Donnerstag, 22 Juli 2021, um 19 Uhr im Rahmen der „Scratch around the world“ Konferenz statt. Hier gehts zur Anmeldung!
Titelbild:
Light Painting von Balduin Landl und Sebastian Martin; genauere Informationen und Tipps zum Selbermachen findet ihr hier!